Umweltfreundlich Bauen
Ein nachhaltiger Lebenserwerb für ländliche Gemeinschaften
Thema:
Umwelt, Lebenserwerb
Ort:
Bezirk Marakkanam im Distrikt Viluppuram im indischen Bundesstaat Tamil Nadu
Projektlaufzeit:
01.05.2021 bis 30.04.2023
Budget:
60.110 €, davon 50.000 € Zuschuss von der Schöck-Familien-Stiftung
Erreichte Zielgruppe:
120 Personen, davon 60 Frauen und 60 Männer, sowie deren Familien, insgesamt rund 480 Personen
Herausforderungen
In manchen Gegenden Indiens gibt es für viele Menschen kaum eine andere Möglichkeit, etwas Geld für den Lebensunterhalt der Familie zu verdienen, als die Arbeit in Ziegelfabriken. Insbesondere Menschen aus benachteiligten Gemeinschaften, wie die Dalits, sind darauf angewiesen. Den ganzen Tag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, verbringen sie mit der Herstellung von Lehmziegeln. Außer in der Regenzeit, denn die Ziegel müssen vier Wochen in der Sonne trocknen. Die Leiter der Ziegelfabriken bieten ihnen, scheinbar großzügig, einen Kredit an, um diese Zeit zu überbrücken. Doch nach der Regenzeit sind die Arbeiter gezwungen, den Kredit abzuarbeiten. Dazu kommen meist sehr hohe Zinsen. Weil nach Abzug der Kreditraten und der Zinsen nicht genug Geld zum Überleben bleibt, muss die ganze Familie mitarbeiten, auch die Kinder, die deshalb nicht zur Schule gehen können.1 Die Familien sind in eine Lohnknechtschaft geraten, moderne Sklaverei.
Riesige Flächen fallen der Gewinnung von Lehmerde für die konventionelle Ziegelherstellung zum Opfer.
Abgesehen von der Ausbeutung der Menschen sind die Ziegeleien auch eine große Belastung für die Umwelt. Das International Centre for Integrated Mountain Development (ICIMOD) beziffert die Anzahl der Ziegelöfen in Indien mit 140 bis 210 Tausend (2017) und die abgebaute Lehmmenge mit 700 bis 750 Millionen Tonnen.2 Um den Lehm für die Ziegel zu beschaffen, werden große Flächen, teilweise landwirtschaftlich nutzbar, teilweise bewaldet, zerstört. Bestehende Gesetze, die die vollständige Renaturierung solcher Flächen vorschreiben, werden großenteils nicht beachtet.
Nahezu alle Ziegelöfen in Indien werden mit Kohle befeuert.
Das Befeuern der Öfen zum Brennen der Ziegel verursacht hohe Ruß-, Rauchgas- und CO2-Emissionen. Das ICIMOD nennt in seinem Faktenblatt zum Produktionssektor „Gebrannte Lehmziegel in Indien“ einen Kohleverbrauch in diesem Bereich von 29 bis 35 Millionen Tonnen und CO2-Emissionen von 60 bis 65 Millionen Tonnen (jeweils 2017).2 Die Ziegelproduktion ist damit laut dailyO nach den Wärmekraftwerken und der Eisen-und-Stahl-Industrie der drittgrößte Luftverschmutzer.3
1 Laut einer Studie, die 2016 von Kaarak Enterprises Ltd für Anti-Slavery International durchgeführt wurde, arbeiten in den Bundesstaaten Chhattisgarh, Punjab und Uttar Pradesh 80 % der 5- bis 13-jährigen Kinder in Ziegeleien, davon 12 % als Arbeiter und 68 % als Hilfskräfte, mehr als drei Viertel von ihnen gehen nicht zur Schule.
2 International Centre for Integrated Mountain Development (ICIMOD): Burnt clay brick sector in India – Fact sheet. Kathmandu, Nepal, 2019 — https://www.ccacoalition.org/sites/default/files/resources/Fact%20sheet%20brick%20sector%20India.pdf
3 Arsalan Ali Farooquee: How India’s brick industry is a major cause of pollution – Almost all brick kilns in the country run on coal. Online-Artikel vom 16.04.2018 — https://www.dailyo.in/variety/carbon-footprint-brick-kilns-clean-energy-carbon/story/1/23511.html (Zugriff am 16.05.2021)
Ziel des Projekts
Für 120 Personen, je zur Hälfte Frauen und Männer, werden Verdienstmöglichkeiten durch die Herstellung von Ziegelsteinen geschaffen. Durch die Einrichtung von zehn Produktionsstätten mit je einer Ziegelpresse erhalten Arbeitslose und Tagelöhner eine Perspektive für ihr Leben und für das Wohlergehen ihrer Familien. Insgesamt wird das Projekt zur ländlichen Entwicklung einer Region beitragen, die von Armut und Marginalisierung einzelner Gemeinschaften stark betroffen ist.
Vor der Verwendung muss die Lehmerde gesiebt werden, um größere Steine zu entfernen. Die Erde stammt aus den nährstoffarmen unteren Bodenschichten, sodass der humusreiche Oberboden weiterhin für die Landwirtschaft genutzt werden kann.
Das Projekt fördert ausschließlich die Produktion von CSEB (compressed stabilized earth blocks), das sind gepresste Lehmziegel, denen zur Verbesserung der Festigkeit abhängig von der örtlichen Lehmzusammensetzung 5 bis 10 % Portlandzement (OPC – ordinary Portland cement) beigemischt wird. Weil die Ziegel nicht gebrannt werden, wird trotz des enthaltenen Zements deutlich weniger CO2 emittiert als bei den in Indien üblicherweise hergestellten gebrannten Ziegeln (siehe „Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit von CSEB im Vergleich zu anderen Baumaterialien“).
Ein Projektmitarbeiter erklärt die Funktion der neuen handbetriebenen Lehmziegelpresse, mit der rund 750 Ziegel pro Tag hergestellt werden können.
Hauptaktivitäten
Das Projekt umfasst Schulungen zur Herstellung und Vermarktung der CSEB-Ziegel. Die zehn Kleingruppen produzieren die Ziegel gemeinsam und registrieren sich als Kooperative oder als Gemeinschaftsunternehmen. Die fertigen Ziegelsteine werden an kleine und mittelgroße Bauunternehmen der Umgebung verkauft. Sobald sich die Gruppen gefestigt haben und Gewinn machen, werden sie einen Teil des Gewinns sparen, um weitere Maschinen anzuschaffen und weitere Bedürftige mit einzubeziehen.
Die Regierung von Tamil Nadu hat in den Dörfern bereits viele Gebäude mit CSEB-Ziegeln gebaut, so auch dieses neue Amtsgebäude.
Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit von CSEB im Vergleich zu anderen Baumaterialien
Im Vergleich zu anderen Baumaterialien bieten CSEB eine Reihe von Vorteilen. Es werden vorwiegend lokal verfügbare Materialien genutzt und somit die Transportkosten reduziert, weil die Herstellung an Ort und Stelle erfolgt. Sie ermöglichen für mehr Menschen qualitativ hochwertigen Wohnraum und fördern die lokale Wirtschaft, nicht den Import. Aufgrund der schnelleren und einfacheren Herstellungsmethode werden weniger qualifizierte Arbeitskräfte benötigt. Weitere Vorteile sind gute Festigkeit, gute Isolierung und gute thermische Eigenschaften, weniger Kohlenstoffemissionen und geringerer Energiebedarf bei der Herstellung, extrem geringe Abfallmengen und einfache Entsorgung sowie keine direkte Umweltbelastung während des gesamten Lebenszyklus. Darüber hinaus haben Lehmziegel auch die Fähigkeit, Luftfeuchtigkeit aufzunehmen, was zu einer gesunden Umgebung innerhalb eines Gebäudes für seine Bewohner führt. Die verwendete Erde ist in der Regel Unterboden, sodass der Oberboden für die Landwirtschaft genutzt werden kann. Das Bauen mit lokalen Materialien verbessert die Arbeitsplatzsituation für die vor Ort lebenden Menschen und ist in Krisenzeiten nachhaltiger.
(Übersetzt aus: Riza, F. V.; Rahman, I. A.; Zaidi, A. M. A.: A Brief Review of Compressed Stabilized Earth Brick (CSEB). In: 2010 International Conference on Science and Social Research (CSSR 2010), December 5–7, 2010, Kuala Lumpur, Malaysia)
Weitere ausführliche Informationen zur Umweltfreundlichkeit und Beschaffenheit von CSEB findet Ihr auf den Webseiten des Auroville Earth Institute.